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http://www.welt.de/finanzen/article123915974/Asien-wird-zur-Bedrohung-fuer-die-Weltwirtschaft.html

Foto: Infografik Die WeltIn Asien droht sich etwas zusammenzubrauen, das die Weltwirtschaft in den Abgrund ziehen könnte.
Herr Lee seufzt. Der Vermieter hat die Miete für seinen kleinen Laden in Georgetown, der Hauptstadt des malaysischen Bundesstaates Penang, mal wieder erhöht. Selbst schuld, sagt Lee sich dabei gleichzeitig.
Denn vor fünf Jahren hätte er das Haus, in dem sich sein kleines Handwerksartikelgeschäft befindet, kaufen können. Eine Million Ringgit (rund 250.000 Euro) hätte er damals bezahlen sollen. “Jetzt ist das Haus fünf Millionen wert, und ich könnte mich zur Ruhe setzen, wenn ich es damals gekauft hätte.” Er könnte sich allein aus dem Wertzuwachs des Hauses ein schönes Leben machen.
So wie er seufzen derzeit viele in Malaysia. Denn seit einigen Jahren erlebt das Land einen gigantischen Immobilienboom. Und nicht nur Malaysia. Ganz ähnlich ist es in vielen Ländern Südostasiens – von Thailand über Vietnam bis Hongkong. Doch während die Preisblase inChina inzwischen in aller Munde ist, geht die Entwicklung hier an der breiten Öffentlichkeit vorbei.
“Das macht mir Bauchschmerzen”
- Börsencrash
- Immobilienblase
- Frankreich
- Investitionen
- Euro-Aufschwung
- Weltwirtschaft
Dabei könnte sich in diesen Ländern etwas zusammenbrauen, was die Weltwirtschaft und die internationalen Finanzmärkte in den Abgrund ziehen könnte. Gerade auch, weil in der Region derzeit noch eine Reihe anderer Risiken lauern. Asien, das lange die Konjunkturlokomotive für die ganze Welt war, ist inzwischen zu deren krankem Mann geworden.
Beispiel Hongkong: Auch hier haben sich die Immobilienpreise seit 2009 verdoppelt. “Das macht mir Bauchschmerzen”, sagt Franz Wenzel, Chef-Anlagestratege bei Axa Investment Managers. “Denn wenn die US-Notenbank erst einmal die Zinsen erhöht, dann kann das eine Korrektur einleiten.”
Schon jetzt prophezeien daher Analysten von UBS,Barclays und Jefferies einen Einbruch der Preise um 30 Prozent bis zum Jahr 2016. So etwas gab es Ende der 90er-Jahre schon einmal in der ehemaligen britischen Kolonie. Das drückte jahrelang auf die Stimmung, schließlich ist Hongkong eines der wichtigsten Finanzzentren Asiens.
Zweischneidige Maßnahmen
In Singapur, dem anderen großen Finanzzentrum, sieht es nicht viel anders aus. Dort sind die Immobilienpreise seit Mitte 2009 im Schnitt um rund zwei Drittel gestiegen. Viele Familien können sich inzwischen die Wohnung kaum noch leisten.
Daher ergriff die Regierung erste Maßnahmen, um die Überhitzung zu stoppen. In der Folge fielen die Preise im letzten Quartal erstmals wieder leicht.
Ganz Ähnliches versucht Malaysia derzeit. Dort hat die Regierung kürzlich verfügt, dass Ausländer nur noch Immobilien ab einem Mindestwert von einer Million Ringgit kaufen dürfen. So soll zumindest das untere Segment des Marktes, wo die Einheimischen meist investieren, abgekühlt werden.
Solche Maßnahmen sind allerdings durchaus zweischneidig. Denn mit dem Immobilienboom sind auch die privaten Schulden gewachsen. Sinken die Immobilienpreise deutlich, könnte manch Schuldner schnell an den Punkt kommen, an dem er sein Darlehen nicht mehr bedienen kann.
Daher hat die Rating-Agentur S&P beispielsweise erst vor wenigen Wochen die Ratings für vier große malaysische Banken gesenkt – wegen des hohen Bestands an Immobiliendarlehen in ihren Büchern.
Japan will Mehrwertsteuer erhöhen
Doch was sind schon Malaysia, Singapur und all die anderen Länder der Region, mag mancher einwenden, vor allem im Vergleich zu den wirtschaftlichen Giganten der Welt, allen voran den USA? Dort wächst die Wirtschaft schließlich endlich wieder kräftig. Da kann die Konjunktur einen Immobilien-Crash in Fernost doch gut aushalten.
Das könnte jedoch ein Irrtum sein. Denn schon einmal nahm eine große Krise in Südostasien ihren Anfang. Die Asien-Krise von 1997 startete in Thailand, griff von dort auf die gesamte Region über und belastete letztlich die ganze Weltwirtschaft.
Für eine zusätzliche Belastung sorgte damals, dass genau zu jener Zeit die größte Wirtschaftsmacht der Region, Japan, auch noch die Mehrwertsteuer kräftig erhöhte, von drei auf fünf Prozent. Das würgte die Konjunktur zusätzlich ab.
Und wie es der Zufall will: Genau jetzt will Japan erstmals nach 1997 seine Mehrwertsteuer erneut erhöhen, und zwar wieder massiv, von fünf auf acht Prozent. Dies geschieht nach einer Phase von rund anderthalb Jahrzehnten, in der die Löhne der Menschen praktisch nicht gestiegen sind und sie ohnehin nur schwer zum Konsum zu bewegen sind.
Notenbank druckt eifrig Geld
Das Land versucht zwar seit rund einem Jahr durch eine neue Politik der Dauerkrise zu entkommen. Seither druckt die Notenbank eifrig Geld, um auf diese Weise die Deflation zu beseitigen. Gleichzeitig wurden die Staatsausgaben massiv erhöht.
In einem dritten Schritt sollen schließlich Reformen der Strukturen am Arbeitsmarkt und in der Unternehmenswelt für einen selbsttragenden Aufschub sorgen. Doch die Zweifel wachsen, ob dies klappt. “Wir trauen der ganzen Sache nicht”, sagt Alfred Roelli, Chef-Anlagestratege der Schweizer Privatbank Pictet. “Wir glauben nicht an echte Reformen, und der geldpolitische Stimulus alleine reicht nicht.”
So könnten in den kommenden Monaten gleich drei Schocks zusammenkommen – eine platzende Immobilienblase in Südostasien, Steuererhöhungen in Japan und die Einsicht, dass Japans Regierung es nicht schafft, die Wirtschaft von ihrem Stillstand zu befreien.
Dazu gesellen sich die politischen Spannungen. In Thailand legen die innenpolitischen Auseinandersetzungen das Land lahm, Japan und China schlagen immer härtere Töne im Streit um ein paar Inseln an,Nordkorea wird immer unberechenbarer. Und schließlich sind da auch noch die ohnehin starken Zweifel an Chinas wirtschaftlicher Entwicklung, inklusive der eigenen Immobilienpreisblase.
Investoren sind auf der Flucht
Noch wird all das nur vereinzelt wahrgenommen. Die Investoren, die die Situation als erste erkannt haben, sind jedoch schon auf der Flucht. Chinas Aktienmarkt schneidet seit Monaten schlechter ab als der Rest der Welt. Die Bangkoker Börse hat seit Mitte Oktober fast 15 Prozent verloren. Der Wert der indonesischen Rupie ist auf den tiefsten Stand seit der Asienkrise von 1997 gesunken.
Nur Japan ist nach wie vor einer der Lieblinge der Anleger. Kein Wunder, denn eine Notenbank, die Geld druckt, findet stets deren Beifall. Doch die Frage ist, wie lange der Applaus noch anhält, wenn die Musik zunehmend dissonant wird.
Herr Lee jedenfalls, der kämpfen muss um seine Miete zu bezahlen, klatscht längst nicht mehr. Und auch nicht Frau Chan, eine Bekannte von ihm, die gleich bei ihm um die Ecke, am sogenannten Straits Quai, zwei Wohnungen gekauft hat. Nun will sie eine loswerden, für zwei Millionen Ringgit. Doch sie findet keinen Käufer. Denn die meisten Wohnungen in dem riesigen Neubauviertel stehen leer.
Doch wenn sie keinen Käufer findet, hat sie Probleme die Kredite zu bedienen. Frau Chan könnte so zum ersten Stein in einem langen und gefährlichen Dominospiel werden, an dessen Ende auch manche Steine bei uns in Europa fallen könnten.